Arbeitsleben
Lasst den 50plus und Senioren ihre Arbeit!
Die SP will sie per Gesetz vor Kündigungen schützen, schreibt Simon Martin im «SonntagsBlick».
Bis zu 100 000 Bürojobs könnten in den nächsten Jahren in der Schweiz verloren gehen. Das gab der Kaufmännische Verband Schweiz diese Woche bekannt. Die Nachricht kommt in einer Zeit der allgemeinen Verunsicherung. Durch die Digitalisierung sind Arbeitsplätze, die früher als sicher galten, plötzlich in Gefahr.
Die Folge: Der Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt wird härter, ältere Berufsleute bleiben auf der Strecke. Dem tritt SP-Politiker Corrado Pardini (51) entgegen. Der Berner Nationalrat und Unia-Gewerkschafter will Entlassungen von über 55-Jährigen erschweren - und in manchen Fällen ganz untersagen.
"Wir werden diese Menschen-Abholzerei stoppen", sagt Pardini kämpferisch. Einen entsprechenden Vorstoss wird er in der kommenden Wintersession der eidgenössischen Räte lancieren. "Ich will die Unternehmer zwingen, bei jeder Entlassung zu beweisen, dass sie den älteren Arbeitnehmer nicht einfach durch einen jüngeren und billigeren ersetzen", sagt Pardini.
Wer den Beweis nicht erbringe, solle sich nicht mit einer Entschädigung freikaufen können: "Die Entlassung muss rückgängig gemacht werden, die betroffene Person weiterbeschäftigt werden!" Die Arbeitenden seien "kein Verschleissmaterial in einem immer brutaleren Kapitalismus".
Ein Blick in die Statistik zeigt die zunehmend schwierige Position älterer Arbeitnehmer: Zwar weist die Schweiz auch in der Altersgruppe der über 55-Jährigen eine überdurchschnittliche Erwerbsquote auf - doch ist die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe in letzter Zeit gestiegen. Der grosse Unterschied zwischen Jung und Alt: Verlieren ältere Arbeitnehmer ihren Job, haben sie es deutlich schwerer, wieder einen zu finden.
Ein über 50-Jähriger sucht im Schnitt anderthalbmal so lange nach einer neuen Stelle wie der Schweizer Durchschnitt. Die Folgen sind massiv: 2015 waren 43 Prozent aller Langzeitarbeitslosen über 50 Jahre alt, wie Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zeigen.
Diese Entwicklung schlägt auch auf die Sozialhilfe durch: Der Anteil der Bezüger, die älter sind als 46, stieg von 46 000 Personen im Jahr 2005 auf über 68 000 im Jahr 2014. Dass Pardini nun seine Motion einbringt, hat einen zweiten Grund: Er folgt der Logik aus der Debatte über die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI).
Besonders die von FDP-Ständerat Philipp Müller (64, AG) vertretene Variante ist ganz nach dem Geschmack der Genossen. Sie sieht vor, dass Arbeitgeber inländische Arbeitslose in spezifischen Regionen und Branchen nicht nur zum Vorstellungsgespräch einladen müssen.
Ein negativer Entscheid wäre zudem schriftlich zu begründen. So wird aus der stramm rechten, gegen Zuwanderung, Freizügigkeit und in ihrer Konsequenz gegen die Bilateralen Verträge gerichteten Vorlage ein Vorrang für inländische Arbeitslose. Ganz im Sinne der Sozialdemokraten: Sie wollen die dunkelste Stunde ihrer jüngeren Geschichte - den 9. Februar 2014 - in einen Sieg verwandeln, indem sie den Schutz der Arbeitnehmer stärken.
Die Bürgerlichen reagieren entsetzt. "Das wäre der Todesstoss für unseren liberalen Arbeitsmarkt, der einen Erfolgsgaranten der Schweiz darstellt", sagt FDP-Nationalrat und Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler (58). Mit dem Vorstoss würde niemand mehr ältere Arbeitnehmer anstellen, sie würden diskriminiert.
Auch Bigler zieht den Vergleich zur MEI-Debatte: "Ich halte den Ansatz von Philipp Müller auch nicht für vollständig geglückt. Aber die Forderung der SP ist noch extremer." SVP-Präsident Albert Rösti (49) sieht seine schlimmsten Vorahnungen bestätigt.
"Das ist genau die Folge der Nichtumsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative. Davon haben wir immer gewarnt: Wenn es so weitergeht, bekommt die Linke mit Hilfe der FDP Überwasser!" Für Nationalrat Pardini wiederum ist sein Vorpreschen zum Schutze der älteren Arbeitnehmer auch ein Beitrag zum derzeitigen Krach in der SP.
Ausgelöst wurde er durch das neue Wirtschaftsprogramm der Parteilinken. Sie wollen die SP wieder auf einen klassenkämpferischen Kurs festlegen. "Die Stossrichtung ist richtig. Aber wir brauchen Handfesteres, keine akademischen Debatten", sagt Pardini.
Im gleichen Zug kritisiert er auch den rechten Parteiflügel um die Ständeräte Pascale Bruderer (39) und Daniel Jositsch (51): "Diese Leute biedern sich bei den Aktionären an und helfen den Bürgerlichen, die öffentliche Hand arm zu sparen." Das helfe bei Majorzwahlen den eigenen Ständeratssitz zu sichern.
"Aber gewinnen diese Leute in der Partei, bedeutet dies das Ende der SP." Die SP müsse endlich wieder dafür kämpfen, dass sich niemand vor Jobverlust, Unglück oder dem Alter fürchten müsse. Ein besserer Schutz der älteren Arbeitnehmer sei hierzu ein erster Schritt. "Es geht darum, dass wir Sozialdemokraten zu Recht sagen können: Wir sind das Volk."