Wenn der Senior einfach weitermacht

Viele Firmenchefs regeln viel zu spät, wie es nach ihnen mit dem Unternehmen weitergehen soll, schreibt Stefan Weber in der «Süddeutschen Zeitung».
50plus-Firmenchefs ziehen sich nur ungerne aus ihrem Lebenswerk zurück.
50plus-Firmenchefs ziehen sich nur ungerne aus ihrem Lebenswerk zurück.

Ein mittelständisches Familienunternehmen, irgendwo in Ostwestfalen, Branche: Maschinenbau. Die Kostenstrukturen stimmen schon lange nicht mehr. Die Produktion müsste dringend gestrafft, möglicherweise sogar an einen preisgünstigeren Standort verlagert werden.

Der Firmenchef, 60, weiss um den Ernst der Lage, beteuert aber, ihm seien die Hände gebunden: "Einen so tief greifenden Umbau wird der Alte nie genehmigen." Der Alte - das ist sein Vater, Mitte 80 und immer noch die letzte Instanz in dem Unternehmen, das er einst gegründet hat.

Solche Geschichten erzählen Berater, die sich auf die Begleitung des Generationswechsels in Familienunternehmen spezialisiert haben. Die Botschaft: Senior-Chefs tun sich schwer mit der Regelung ihrer Nachfolge. Zur Erläuterung verweisen ergraute Firmenlenker gerne auf die Hektik des Tagesgeschäfts.

Sie lasse kaum Raum für ein so komplexes, zeitaufwendiges Thema wie einen Generationswechsel. Tatsächlich regelt sich eine Nachfolge nicht im Handumdrehen. Aber sehr häufig hat der Widerwille, sich damit zu beschäftigen, in erster Linie emotionale Gründe. Die Gründer-Generation (aber auch manch Firmenchef in zweiter oder dritter Generation) mag ungern Abschied nehmen.

Aber: Wer gibt auch schon leichten Herzens sein Lebenswerk in andere Hände? Allmählich duldet das Thema jedoch keinen Aufschub mehr - allein aus demografischen Gründen. Nach Zahlen des KfW-Mittelstandspanels, einer jährlichen Analyse der KfW-Bankengruppe zur Struktur und Entwicklung des Mittelstands in Deutschland, ist mehr als ein Drittel aller Firmenlenker älter als 55 Jahre.

Die Folge: Der Anteil mittelständischer Unternehmen mit kurzfristig anstehender Nachfolge hat sich zuletzt enorm erhöht. Nach Schätzungen des IfM Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn steht in jedem Jahr in 71 000 Familienunternehmen die Regelung der Nachfolge an, die meisten mit einem Jahresumsatz zwischen 500 000 Euro und zehn Millionen Euro.

Babyboomer-Generation wird eine grosse Lücke hinterlassen

Das wäre noch nicht weiter besorgniserregend, wenn dem grossen Angebot an zu übergebenden Firmen eine ebenso grosse Nachfrage gegenüberstehen würde. Doch das ist nicht der Fall. Im Gegenteil. Wenn sich die geburtenstarke Baby-Boomer-Generation im Laufe der nächsten 15 Jahre aus dem Erwerbsleben zurückzieht, wird sie auch auf den Chefsesseln im Mittelstand eine grosse Lücke hinterlassen.

Denn die nachfolgenden Generationen sind deutlich kleiner. Im Jahr 2030 werden einer Person zwischen 55 und 70 Jahren nur noch etwa 1,8 jüngere (zwischen 20 und 54 Jahren) gegenüberstehen - im Jahr 2000 waren es noch 2,6 gewesen.

Eine gemeinsame Befragung von KfW Research und Creditreform zeigt: Erst bei 42 Prozent der kleinen und mittelgrossen Unternehmen, deren Übergabe in den nächsten drei Jahren stattfinden soll, läuft der Nachfolgeprozess bereits. 22 Prozent befinden sich zumindest in konkreten Planungen.

Doch 25 Prozent haben sich bisher lediglich zu dem Thema informiert, und elf Prozent haben sich noch gar nicht mit der Problematik beschäftigt. Damit droht für mehr als ein Drittel der anstehenden Unternehmensnachfolgen die Zeit knapp zu werden. Die Übergabe einer Firma ist ein komplexes und strategisches Projekt, das sorgfältig vorbereitet werden muss.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rät übergabewilligen Unternehmern, drei bis zehn Jahre vor dem geplanten Datum damit zu beginnen, ihre Firma für die nächste Chef-Generation fit zu machen. Also etwa zu prüfen, wo Investitionsbedarf besteht, ob die Organisation noch passend ist, und ob Zulieferer und Finanzierungspartner stimmen.

"Die Braut schmücken", nennen die IHK-Experten diese Phase des Übergangsprozesses. Frühere Untersuchungen von KfW Research haben indes gezeigt, dass Investitionsentscheidungen älterer Unternehmer auf besondere Weise mit Unsicherheiten behaftet sind. Denn die Erträge fliessen teilweise erst nach ihrem Rückzug aus dem Unternehmen - an den Nachfolger.

Wenn der Verkauf des Unternehmens geplant ist, stellt sich die Frage, ob Kaufinteressenten Investitionsrenditen ähnlich einschätzen, so dass sie sich entsprechend im erzielbaren Kaufpreis niederschlagen.

Die Entscheidung kann einem auch der beste Berater nicht abnehmen

Unter dem Strich gilt: Spätestens drei Jahre vor der absehbaren Übergabe sollte der Senior mit der konkreten Suche nach einem Nachfolger beginnen. Nur: wo? Und: wie? "Die Suche nach Kaufinteressenten ist in Zeiten des Unternehmermangels eine besondere Herausforderung", sagt Ingo Claus, Spezialist für Firmenkäufe und -verkäufe bei der auf Nachfolgefragen in Familienunternehmen spezialisierten Kern-Gruppe.

Manchmal ist die Sache klar: Sohn und/oder Tochter sind ambitioniert und qualifiziert, das elterliche Erbe im Unternehmen anzutreten und die Rollenverteilung lässt sich zur Zufriedenheit aller Beteiligten klären. Doch eine harmonische Übergabe innerhalb der Familie ist selten.

Beobachtungen des IfM zufolge gewinnen deshalb familienexterne Nachfolgelösungen zunehmend an Bedeutung. Sie gestalten sich jedoch häufig noch schwieriger als die Übergabe des Zepters an Sohn oder Tochter. Am Anfang steht die Frage: Wo und wie suche ich nach meinem Nachfolger?

Die meisten Unternehmer durchforsten zunächst ihr persönliches Netzwerk. Geschäftspartner, befreundete Unternehmer oder auch leitende Mitarbeiter (Stichwort: Management-Buy-out) - manchmal findet sich auf diesem Weg ein geeigneter Kandidat. Erst wenn das zu keinem Erfolg führt, gehen sie in die Öffentlichkeit, indem sie verstärkt Dritte um Unterstützung bitten.

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