alters-kolumne
Würde von Hilflosen und von Toten achten
Jetzt wird sie wegen Störung des Totenfriedens angeklagt, sagt René Künzli, Präsident der Terz-Stiftung.
Nicht nur bei den Pflegekräften stellt sich in Alters- und Pflegeheimen die Frage: Wie werden neue Mitarbeitende ausgesucht und in ihre Aufgabe eingeschult? Gibt es eine formulierte Wertekultur mit entsprechenden Qualitätsstandards? Wenn ja, werden diese auch mittels Fort- und Weiterbildung vertieft und permanent geschult und der Erfolg auch kontrolliert?
Wie funktioniert die innerbetriebliche Kommunikation und existiert eine offene und aktive Konfliktkultur? Denn wo hilflose Menschen im Mittelpunkt stehen, dort müssen auch Mitarbeitende in scheinbar pflegefernen Arbeitsfeldern in die Betriebskultur eng eingebunden sein.
Leider erfährt die Altersarbeit im Sozial- und Gesundheitsbereich nicht die Wertschätzung in der Gesellschaft, die sie verdient. Es lässt sich auch nachweisen, dass, wenn es in der Wirtschaft gut läuft, sie aus diesen Berufsgruppen gute Fachkräfte abzieht. Die Gründe liegen meist im weit höheren Berufsstatus, in Arbeitszeiten, die dem privaten sozialen Umfeld besser entsprechen und letztlich auch im Finanziellen.
Das zu geringe Ansehen aller Berufe, die mit Geriatrie und Gerontologie zu tun haben in unserer Gesellschaft, macht uns Sorgen insbesondere für die Zukunft. Dass die würdevolle und kompetente Begleitung demenziell erkrankter Menschen grosse Anforderungen an die Pflegenden stellt, steht ausser Frage, und es ist sehr anerkennenswert, wie die überwiegende Mehrzahl der Pflegenden die täglichen Herausforderungen bravourös meistert.
Nur wenn die Pflegenden gut auf diese Aufgabe vorbereitet sind und in einem Umfeld arbeiten können, wo offen kommuniziert wird und Konflikte thematisiert und bereinigt werden, dann sind die Voraussetzungen gegeben, die den Patienten eine möglichst hohe Lebensqualität gewährleisten. Und an eine Störung des Totenfriedens wird dann auch niemand denken.
Die terzStiftung weist darauf hin, dass selbst in die Altersforschung nur spärlich investiert wird, obwohl die verantwortlichen Politiker und Entscheidungsträger den demographischen Wandel mit seinen Auswirkungen bestens kennen und schon lange handeln müssten.
Gleiches gilt auch für zukunftsweisende Massnahmen, die den Mitarbeitenden in der Altersarbeit bessere Voraussetzungen für ihre wertvolle Berufstätigkeit schaffen. Es geht dort aus unserer Sicht primär mehr um Anerkennung, darunter verstehen wir die Investition in Fort- und Weiterbildung, ganz besonders auch für Teilzeitbeschäftigte und ältere Mitarbeitende, ohne die heute schon einige Häuser nicht mehr voll betrieben werden könnten.
Es ist eine grosse gesellschaftspolitische Herausforderung, in welcher Wertekultur wir den demographischen Wandel generationengerecht und generationenverträglich gestalten. Wenn die Würde gleich ursprünglich mit der menschlichen Existenz gegeben ist, dann kann sie keinem Menschen verloren gehen.
Genommen werden darf sie einem Menschen erst recht nicht, das verbieten alle Verfassungen. Gebrechlichkeit und völlige Abhängigkeit von anderen gehören zum Menschsein - am Beginn des Lebens für uns alle, gegen Ende für viele.
Aber das nimmt uns nicht das Menschsein. Auch jemand, der kaum noch über sich selbst bestimmen kann, bleibt Mensch. Er hatte früher die Fähigkeiten, die nur Menschen haben, in höherem Mass. Und das muss nach Ansicht der terzstiftung alle anderen Menschen nötigen, Lebende und Tote mit Achtung zu behandeln.
www.terzstiftung.ch